Gleiches Recht für gleiche Arbeit – auch in Teilzeit
Anlässlich der Antworten der Landesregierung auf zwei Kleine Anfragen zur Situation von Teilzeitbeschäftigten und zur Umsetzung des Grundsatzurteils des Bundesarbeitsgerichts (8 AZR 370/20) erklärt die arbeitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag, Lena Saniye Güngör: „Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts stärkt die Rechte von Teilzeitkräften bei der Vergütung von Überstunden. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Teilzeitbeschäftigte bei Überstundenzuschlägen nicht schlechter gestellt werden dürfen als Vollzeitkräfte, es sei denn, es gibt einen sachlichen Grund dafür. Damit wurde ein wichtiges Signal für gleiche Bezahlung bei gleicher Leistung gesetzt. Die Landesregierung zieht daraus aber keine konkreten Schlüsse. Sie erhebt keine Daten, plant keine Kontrollen, gibt keine Empfehlungen. Wo man eigentlich politische Impulse erwarten müsste, verweist sie allein auf die Tarifparteien. Das ist zu wenig und es ignoriert die eigene Verantwortung, struktureller Ungleichbehandlung entgegenzuwirken.“
Zur Auswertung der Regierungsantworten sagt die Abgeordnete: „Es gibt weder verlässliche Informationen darüber, wie viele Beschäftigte in Thüringen durch tarifliche oder vertragliche Regelungen zu Überstunden benachteiligt sind, noch Hinweise darauf, ob und wie Arbeitgeber bei möglichen Diskriminierungen überprüft werden. Auch für Betroffene existieren keine staatlich unterstützten Informationsangebote. Die Landesregierung räumt diese Lücken ein jedoch ohne sie schließen zu wollen. Dass sie sich nicht einmal zutraut, den Bestand an Tarifverträgen im Land auf mögliche problematische Regelungen hin zu analysieren, macht deutlich: Gestaltungsspielräume werden hier nicht genutzt.“
Dabei lägen die Herausforderungen auf der Hand, so die Abgeordnete weiter. Laut Antwort auf die Kleine Anfrage arbeiten fast 240.000 Menschen in Thüringen in Teilzeit, darunter rund 190.000 Frauen. In vielen Branchen liegt der Frauenanteil unter den Teilzeitbeschäftigten bei über 80 Prozent. Dazu die Abgeordnete: „Teilzeit ist damit nicht einfach ein Modell individueller Zeitsouveränität, sondern sie ist offenbar eng verwoben mit Sorgearbeit, ungleichen Erwerbschancen und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Wer die strukturelle Schieflage zwischen Teilzeit und Vollzeit nicht aktiv adressiert, trägt dazu bei, dass sie bestehen bleibt.“
Die Antwort auf die Anfrage zeige zusätzlichen Bedarf einer gesonderten Betrachtung der Überstunden, so die Abgeordnete: „Überstunden sind kein Randphänomen. Sie betreffen hunderttausende Beschäftigte und werden oft nicht oder nur teilweise vergütet. Gerade bei Teilzeitkräften führt das in eine rechtliche Grauzone, in der Ansprüche oft unklar oder schwer durchsetzbar sind. Das Bundesarbeitsgericht hat hier Klarheit geschaffen. Aber diese Klarheit muss politisch übersetzt und praktisch umgesetzt werden, auch in Thüringen.“
Die Abgeordnete fordert deshalb, dass die Landesregierung über den bloßen Verweis auf Tarifautonomie hinausgehen und sich aktiv für mehr Transparenz, Kontrolle und Unterstützung einsetzen sollte. Wer ernsthaft für faire Arbeitsbedingungen eintreten wolle, könne die Verantwortung nicht vollständig bei den Beschäftigten oder deren Interessenvertretungen abladen. Politik müsse nicht alles regeln, aber sie müsse sicherstellen, dass Regeln eingehalten werden können.
„Thüringen hat die Chance, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Anlass zu nehmen, um strukturelle Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu stärken“, sagt Lena Saniye Güngör abschließend. „Teilzeit darf nicht länger gleichbedeutend sein mit unsicheren Ansprüchen und schlechteren Bedingungen. Die Landesregierung sollte diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen.“
Hinweis:
Unter folgenden Links kann der Vorgang der Kleinen Anfragen nachvollzogen werden.
https://parldok.thueringer-landtag.de/ParlDok/process?dokumentid=100922
https://parldok.thueringer-landtag.de/ParlDok/process?dokumentid=100842